Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Mehrsprachigkeit ist ein klarer Vorteil – sie verlangsamt Alterungsprozesse und stärkt kognitive Fähigkeiten. Doch in Österreich wird sie noch immer als Problem oder gar als Bedrohung dargestellt. Die Neuen Österreichischen Organisationen kritisieren die politische und mediale Hetze gegen mehrsprachige Kinder und fordern ein rasches Umdenken. Statt Angst zu schüren und Kinder zu beleidigen, müsse endlich richtig gefördert werden, was längst eine Stärke dieses Landes ist – seine sprachliche und kulturelle Vielfalt.
Eine neue, groß angelegte Studie, die am Montag veröffentlicht wurde, zeigt einen weiteren klaren Vorteil von Mehrsprachigkeit: Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, altern langsamer – und das unabhängig von anderen Einflussfaktoren. Doch das ist nur einer von vielen positiven Effekten. Zahlreiche weitere Studien, die sich mit mehrsprachigem Aufwachsen beschäftigen, zeichnen ein deutlich positives Bild: Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, sind im Vergleich zu einsprachig erzogenen Kindern kognitiv flexibler, aufmerksamer und besser im Problemlösen – ohne dass ihre sprachliche Entwicklung verzögert ist.
Soweit die Wissenschaft aus aller Welt. In Österreich jedoch herrscht seit Jahren ein deutlich anderes, negatives Bild, wenn es um dieses Thema geht.
„Diese Erkenntnisse zeigen klar, dass Mehrsprachigkeit eine Ressource ist – für das Individuum, für das Bildungssystem und letztlich für die gesamte Gesellschaft“, betont Dino Schosche, Sprecher der Neuen Österreichischen Organisationen. „Doch anstatt diese Stärke zu fördern, wird sie in Österreich seit Jahren politisch und medial als Problem dargestellt.“
In Österreich herrscht seit Langem ein verzerrtes Bild, wenn es um dieses Thema geht. Ein großer Teil der Politik, der Verwaltung und auch der Medienlandschaft betrachtet die Mehrsprachigkeit vieler Kinder in Österreich nach wie vor als Bedrohung. Diese Haltung wird gezielt kommuniziert – politisch, um aus der vermeintlichen ‚Herausforderungen‘ mit Menschen ohne Wahlrecht Kapital zu schlagen, und medial, um mit negativen Schlagzeilen, Klicks und Likes Reichweite und Profit zu generieren.
Heilige Kuh ‚Deutsch‘
„Denn hierzulande geht es längst nicht um Mehrsprachigkeit, nicht um Begabung, nicht um Vorteile“, so Schosche weiter. “Hier geht es um die heilige Kuh ‚Deutsch‘ – und um die Profite, die man aus der systematischen Schwarzmachung von 2 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund schlägt. Dieses absichtlich gesetzte Framing lenkt von den eigentlichen gesellschaftlichen Problemen ab und macht uns erneut zu Sündenböcken für politische Fehlschritte, falsche Entscheidungen und auch das Scheitern eines seriösen Journalismus.“
Einfalt eines Bildungssystems
Auch im Bildungsbereich spiegelt sich dieses Denkmuster wider. Manche Lehrkräfte beschweren sich in aller Öffentlichkeit darüber, dass Kinder untereinander eine andere Sprache sprechen oder dass kulturelle Unterschiede den Schulalltag erschweren würden. Schosche: „Hätten diese Personen auch nur eine Prise interkultureller Kompetenz oder jemals an einer Schulung zum Thema Unconscious Bias teilgenommen, würden sie solchen Unsinn nicht einmal denken – geschweige denn öffentlich äußern. Das eigentliche Problem liegt in einem veralteten Bildungssystem, das auf die Vielfalt unserer Gesellschaft keine zeitgemäßen Antworten liefert – und in einer Politik, die Probleme lieber größer macht, statt sie gemeinsam mit Migrant:innen zu lösen. Übrigens, ein Blick auf die erschreckende Einfalt vieler Führungsebenen in Schulen und Bildungsorganisationen zeigt, wo die eigentliche Quelle des Problems liegt – fehlende Kompetenzen, die aus mangelnder eigener Erfahrung entstehen. Denn unter all diesen Entscheidungsträger:innen fehlen Menschen mit Migrationsgeschichte – jene, die wüssten, was es bedeutet, mehrsprachig aufzuwachsen, zwischen Sprachen zu wechseln und damit Brücken zu bauen, statt Mauern zu errichten.”
Deshalb fordern die Neuen Österreichischen Organisationen die Politik, Teile der Verwaltung und des Bildungswesens auf, endlich damit aufzuhören, Menschen mit Migrationshintergrund und ihre Kinder permanent zu beleidigen, zu stigmatisieren und ihnen ihre Muttersprache als Makel unter die Nase zu reiben.
„Wir erleben tagtäglich, dass gerade jene, die selbst offenbar weniger kognitiv flexibel, weniger aufmerksam und deutlich schlechter im Problemlösen sind, andere dafür abwerten“, erklärt Schosche. „Anstatt Schuld zuzuschieben, sollten sie sich weiterbilden, an Diversity Trainings teilnehmen und endlich Verantwortung übernehmen.“
Idiotisch, nicht patriotisch
Und er erinnert an etwas, das viel zu oft vergessen wird: „Unsere Kinder sind die Zukunft dieses Landes – genauso wie wir selbst. Wir sind Steuerzahler, Arbeitnehmer, Arbeitgeber. Ohne uns würde diese Gesellschaft nie funktionieren. Und jeder, der einen Teil dieser Gesellschaft schlecht macht, um politisch zu profitieren, agiert nicht patriotisch, sondern idiotisch.“
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